Eine Replik auf den Beitrag von Andreas Exner „Mythos
Geld“
von Ernst Dorfner
Schafft Geld Investitionen – oder schaffen Investitionen Geld? Eine reine Wortspielerei, eine rhetorische Frage, geht man von der allgemein verbreiteten Ansicht aus, dass Geld vorhanden sein muss, um es investieren zu können. Geld ist ja da, einfach da.
Niemand stellt das in Frage.
Wenn man nun voraussetzt, dass Geld da ist, dann kann es investiert werden. Aber auch wenn es nicht investiert wird, ist es dennoch da. Und kann zu anderem verwendet werden. Diese allgemein verbreitete Vorstellung ist dann auch der gemeinsame Ausgangspunkt für alle möglichen Überlegungen und Vorschläge.
So etwa auch die von Andreas Exner, der in seinem Beitrag „Mythos Geld“ (SOL 126) schreibt:
Eine Frage
liegt nun wohl einigen auf der Zunge: "Aber ist nicht der Zins das
eigentliche Übel, Geld hingegen gut?" Lasst uns die Sache näher ansehen.
Um zu verstehen, wie Geld, Gewinn und Zins zusammenhängen, ist eine formelhafte
Darstellung hilfreich. Wir stellen dazu dar: die Ware (mit Preisen versehene
Güter und Dienstleistungen), G für das Geld und "G + Gewinn" für den
Zuwachs an Geld über die vorgeschossene Summe G hinaus. Der Geldzuwachs bildet
den Unternehmergewinn.
Der einfachste Fall des Produktionsprozesses in einer
Geldwirtschaft sieht dann aus wie folgt:
Vorschuß Unternehmer G ----W----G+Gewinn = Rückfluß an Unternehmer
Geld wird
ausgegeben, um bestimmte Waren (Produktionsmittel und Arbeitskraft) zu kaufen.
Der Verkauf der produzierten Ware ergibt einen Rückfluss an Geld. Wir haben
zuvor schon gesehen, dass dieser Vorgang nur dann einen Sinn ergibt, wenn die
Einnahmen die Ausgaben übersteigen, wenn also nicht nur G, sondern "G +
Gewinn" herauskommt.
Aber diese
formelhafte Darstellung ist noch unvollständig. In der Regel wird nämlich das
Kapital - Geld also, das sich vermehrt - von Geldkapitalisten (Banken,
Fondsverwalter) vorgeschossen. Mit dem geborgten Kapital lässt ein Unternehmer
schließlich Waren produzieren. Die ergänzte Darstellung sieht aus wie folgt:
Hinfluss:
Sparerin G ---Bank G---Unternehmer G---Ware
Sparerin G ---Bank G---Unternehmer G---Ware
Rückfluss:
G+Sparzinsen---G+Sparzinsen+Bankgewinn---
G+Sparzinsen+Bankgewinn+Unternehmergewinn
G+Sparzinsen---G+Sparzinsen+Bankgewinn---
G+Sparzinsen+Bankgewinn+Unternehmergewinn
Wer Geld zur
Bank trägt, hat in der Regel nicht diesen Gesamtprozess der Warenproduktion vor
Augen, wie er sich am Konto positiv zu Buche schlägt. Unser Blick ist vielmehr
auf einen kleinen Ausschnitt beschränkt: Aus G wird "G + Sparzinsen"
(der erste "Geldkreislauf" in der grafischen Darstellung). Es sieht
deshalb so aus, als würde Geld Geld machen, quasi aus dem Nichts, so als würde
Geld "arbeiten". Tatsächlich aber wird das Geld in Form von Kredit
bloß vorgeschossen, um Arbeitskraft in der Warenproduktion vernutzen zu können.
Die Arbeitskraft braucht nur einen Teil der Arbeitszeit, um ihre eigenen Kosten
einzuspielen, schafft also mehr Wert als sie selbst hat. Sie produziert
Mehrwert, einen Profit. Der Unternehmer erhält davon einen Teil, seinen Gewinn.
Der andere Teil wird an die Geldkapitalisten als Zins (oder als
Aktiendividende) bezahlt. Dies ist der Preis für jenes Geldkapital, mit dem er
seinen Gewinn produzieren konnte.
Übrigens
geben die Banken heute nicht bloß Geld, das die Sparerinnen bei ihnen anlegen,
an die Unternehmen weiter, wie die vereinfachte grafische Darstellung
suggeriert. Die Banken "schöpfen" vielmehr selber Geld (Buchgeld),
indem sie Unternehmen, die sie als profitabel einschätzen, Kredite gewähren (in
Gestalt von Sichteinlagen). Allerdings müssen die Kredite der Geschäftsbanken
zu einem gewissen Teil durch Bareinlagen von Sparerinnen oder durch
Verschuldung bei der staatlichen Zentralbank gedeckt sein.
Im
Unterschied zu Unternehmenskrediten sind Konsumentinnenkredite -
geldwirtschaftlich betrachtet - unproduktiv. Sie werden ja nicht als Kapital
genutzt, sondern für den Konsum verausgabt. Die Schuldnerinnen haben davon
keinen finanziellen Vorteil. Für den Unternehmer aber sind Kredite in der Regel
nicht nur rentabel, sondern notwendig, um in der Konkurrenz zu bestehen. Er
profitiert, gerade weil er Schuldner ist. Denn je größer das investierte
Kapital, desto größer auch der potenzielle Gewinn. Deshalb gehört zur
Geldwirtschaft mit Notwendigkeit der Zins. Ihre Übel sind, wie schon zuvor
gezeigt, nicht durch den Zins bedingt. Der Zwang zum Wachstum folgt ebenso aus
der "Geldnatur" wie die Konkurrenz. Zusammen bewirken diese beiden
Dynamiken schließlich auch, dass die Reichtumsschere immer weiter aufgeht (wer
Geld als Kapital anlegen kann, bekommt noch mehr davon usw.).
Soweit
Andreas Exner, dem Dank und Anerkennung gebührt, dass er sich des Themas „Geld“
überhaupt angenommen hat. So selbstverständlich ist das ja nicht. Geld ist
schlicht und einfach da, warum also noch da herumstochern und hinterfragen?
Seine
Ausführungen zeigen aber einmal mehr den oben angedeuteten grundsätzlichen
Mangel auf. In der beschriebenen Logik wird schon eingangs übersehen, dass die
Existenz von Geld vorausgesetzt wird. So heißt es etwa: „Geld wird
ausgegeben, um bestimmte Waren ... zu kaufen.“ Geld ist ein Bestand.
Allerdings allein in den Händen der Kapitalisten. Woher ihn diese haben, woher
Geld überhaupt kommt, wie es entsteht, wird nicht einmal hinterfragt, geschweige
denn beantwortet. Und da es einfach da ist, steht es auch für alle möglichen
Maßnahmen zur Verfügung. So ist ein Zugriff darauf gewissermaßen physisch
jederzeit möglich. Es geht somit „nur“ mehr um politisch-rechtliche Fragen,
etwa der Aneignung von Vorhandenem, dem Geld, die sich gut für Ideologien
eignet. „Geld ist genug vorhanden“ heißt es immer wieder. Darauf bauen etwa
auch alle Überlegungen im Zusammenhang mit der Idee eines Grundeinkommens auf,
dessen Finanzierung „nur“ mehr ein rechtliches Problem hinsichtlich der
Verteilung des Sozialproduktes gesehen werden.
Ähnlich wird
aber auch die Frage der Investitionen gesehen. Geld muss da sein, um es dann
investieren zu können. Und es ist – so die Meinung - in den Händen der
Kapitalisten als Geldbestand auch da. Zugleich kann aber auch so viel
investiert werden, wie an Bestand vorhanden ist.
Nun passt es
noch in diese Logik eines Geldbestandes, wenn es heißt: „Der Verkauf der
produzierten Ware ergibt einen Rückfluss an Geld.“ Nicht mehr aber passt
dann die Aussage: „Wir haben zuvor schon gesehen, dass dieser Vorgang nur
dann einen Sinn ergibt, wenn die Einnahmen die Ausgaben übersteigen, wenn also
nicht nur G, sondern "G + Gewinn" herauskommt.“.
Denn: Es kann nur so viel zurückfließen (Pfeil unten)
wie hingeflossen (Pfeil oben) ist, nicht aber mehr, wie in der Skizze
unterstellt wird. Damit stellt sich nun die Frage: Wo kommt dann das Geld für
Unternehmergewinn + Bankgewinn + Sparzinsen her? Eine Frage, die schon Karl
Marx beschäftigt, aber nicht beantwortet hat:
„Die Frage ist nicht: Wo kommt der Mehrwert her?
Sondern: Wo kommt das Geld her, um den Mehrwert zu versilbern? [...] Das in
Form von Geldkapital vorgeschoßne zirkulierende Kapital von 500 Pfd. St. [...]
sei das zirkulierende Gesamtkapital der Gesellschaft. Der Mehrwert sei 100 Pfd
St. Wie kann nun die ganze Kapitalistenklasse beständig 600 Pfd. St. aus der
Zirkulation herausziehn, wenn sie beständig nur 500 Pfd. St. hineinwirft?“
.....) (Karl Marx, Das Kapital II, S. 330/331)
Die Arbeitskraft
produziert zwar einen Mehrwert in Form von Gütern und Leistungen, aber nicht
das Geld, das für die „Versilberung“ des Mehrwertes erforderlich ist. So die
Einsicht von Marx. Der Bestand an Geld wird durch die Arbeit nicht vermehrt.
Eine klare
Antwort gibt dann auch nicht der Verweis darauf, dass Geld in Form von
Kredit bloß vorgeschossen wird, um Arbeitskraft in der Warenproduktion
vernutzen zu können. Über den Kredit – einen zusätzlichen Kredit – gibt es
zwar mehr Geld, aber auch dieses muss ja wieder verzinst werden.
Auf eine
Lösung weist hier aber das Wort „vorgeschossen“ hin. Das „vor“
sagt, dass Geld erst später, also morgen, wieder „zurückgeschossen“ wird
oder werden muss. Es impliziert also die Zeit, die für die Produktion
einer Ware bis zu deren Verkauf erforderlich ist. Zugleich aber besagt das Wort
„vorgeschossen“, dass das Geld für eine Ausgabe schon heute
vorgeschossen wird, nicht aber für eine erst morgen. Dann bedürfte es ja keines
Vorschusses. So werden etwa mit Löhnen Güter gekauft, die heute schon
fertig sind. Und ebenso werden für den Betrieb bereits Vorprodukte (als fertige
Halbfertigprodukte) nachgefragt. Der Vorschuss heißt somit deshalb so, weil
damit schon heute die Existenz des Haushaltes gesichert werden kann,
obgleich das heute Produzierte erst morgen fertig wird.
Damit aber
wird klar: Der Rückfluss des Geldes kann heute höher sein als heute der
Hinfluss, wenn heute mit einem gestiegenem monetären Gesamteinkommen nach den
Waren von gestern nachgefragt wird. Was aber auch heißt, dass heute mehr Geld
ausgegeben werden muss als gestern. Das aber ist nur dann möglich, wenn wir
nicht von einem geschlossen Geldbestand ausgehen, sondern von einem offenen
System.
Davon geht
auch Michal Kalecky - der eigentliche Theoretiker hinter Keynes - aus, wenn er
bereits 1933 schreibt
Bruttoprofite = Bruttoinvestitionen
+ Konsum der Kapitalisten
Was sagt diese Gleichung aus?
Bedeutet sie, daß die Profite in einem bestimmten Zeitabschnitt den Konsum und
die Investitionen der Kapitalisten bestimmen? Oder trifft die umgekehrte Beziehung zu? Die Antwort darauf ist davon abhängig,
welche dieser Größen direkt den Entscheidungen der 'Kapitalisten unterliegen. Nun ist es offensichtlich, dass
die Kapitalisten zwar entscheiden können,
in einer bestimmten Periode mehr zu konsumieren und zu investieren als
in einer anderen, nicht aber, mehr zu verdienen. Es bestimmen folglich die
Investitions- und Konsumentscheidungen ihre Profite und nicht umgekehrt die
Profite ihre Konsum- und
Investitionsentscheidungen. (Michal Kalecky,
Theorie der wirtschaftlichen Dynamik, S. 49ff, Europaverlag 1966)
Zusätzliche
Investitionen und zusätzlicher der Konsum der Kapitalisten schaffen also
zusätzliches Geld, nicht aber ist bereits vorhandenes Geld die Voraussetzung
hierfür. Wobei zusätzlicher Konsum und zusätzliche Investitionen eine
zusätzliche Verschuldung der Kapitalisten bzw. der Unternehmen bedeuten.
Durch
Einfügung des Faktors „Zeit“ können wir jene Aussage erst eindeutig verstehen,
wo es heißt: Tatsächlich aber wird das Geld in Form von Kredit bloß vorgeschossen, um Arbeitskraft in der Warenproduktion vernutzen zu können.
Der
zusätzliche Kredit muss also vorgeschossen werden, was nichts anderes heißt wie
eine zusätzliche Verschuldung des Kreditnehmers. Vorgeschossen wird also
Vertrauen – Kredit -, Vertrauen auf Erfüllung eines Vertrages in Zukunft. Diese
Vertrauensgewährung ist das „Produkt“ der Bank, mit dem auf der anderen Seite
der Schuldvertrag zwischen dem neuen und dem ursprünglichem Eigentümer durch
einen Vertrag zwischen der Bank und dem ursprünglichen Eigentümer ersetzt wird.
Diesen Schuldvertrag nennen wir „Geld“.
Geld ist
also nichts anderes wie eine Forderungen, mit denen Ansprüche des
ursprünglichen Eigentümers erfüllt werden, während die Schulden, die
zwangsläufig beim Zugriff des neuen Eigentümers auf fremdes Eigentum entstehen,
durch Schulden gegenüber der kreditgebenden Bank abgelöst werden.
Geld gibt es
somit nur dann, wenn Kredite aufgenommen werden, sich also jemand verschuldet.
Werden keine Kredite aufgenommen, entsteht auch kein Geld. Insofern kann der
Wunsch nach Überwindung der Geldwirtschaft, wie sie Exner fordert, einfach
erfüllt werden: Es braucht nur nichts mehr investiert werden:
Ich sehe
deshalb drei Aufgabenbereiche, die wir stärker diskutieren und miteinander
verbinden sollten. Erstens ginge es darum, einige der verbreiteten Tabus
abzubauen, was die Forderungen nach Geld betrifft. Denn klar muss sein: Wenn
die Geldwirtschaft kein gutes Leben möglich macht, dann ist die Geldwirtschaft
zu überwinden, am Anspruch auf ein gutes Leben hingegen festzuhalten.
Das aber ist
die Frage, ob der Anspruch auf ein gutes Leben ohne Geld erfüllt werden kann.
Denn Geld, so wie ich es zu beschreiben versuche, ist ein logistisches
Instrument, das diese hohe Arbeitsteilung einerseits, andererseits ein
Zusammenspiel der einzelnen Teile erst möglich macht. Ich bezeichne deshalb
diese Wirtschaft als Geldwirtschaft. Dabei ist Geld ein Kind dieser
Geldwirtschaft – und nicht Geld einfach vorhanden, auf dem dann die
Geldwirtschaft aufbaut. Und nicht einfach a priori vorhanden, wie es im
Weiteren zum Ausdruck kommt:
Mit dieser
Sicherheit im Rücken können wir tabulos, z.B. in Gestalt eines bedingungslosen
Grundeinkommens, Geld einfordern - ohne Rücksicht auf Profit- und
Wachstumsinteressen, aber auch ohne Sorge um den Fortbestand der
Geldwirtschaft. Zumindest kurzfristig sind derartige Geldleistungen ohne
Zweifel finanzierbar, entweder über Kapital- und Vermögenssteuern, oder -
schlicht und ergreifend - mittels Schulden.
Daraus wird
deutlich, dass Exner das Wesen der Geldwirtschaft – des Kapitalismus - nicht
verstanden hat. Es gibt Geld nur in der Geldwirtschaft mit all ihren positiven
und negativen Auswirkungen. Und den Staat, der Geld verteilen und alles über
Geld regeln will, gibt es nur in dieser Geldwirtschaft. Folglich ist ein
Grundeinkommen in Geld - wenn überhaupt - auch nur im Kapitalismus möglich. Es
hängt am Tropf des Kapitalismus - und kann damit diesen - also die
Geldwirtschaft - nicht überwinden.
Linz,
Februar 2008
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