Freitag, 1. März 2013

Schafft Geld Investitionen - oder schaffen Investitionen Geld?



Eine Replik auf den Beitrag von Andreas Exner „Mythos Geld“


von Ernst Dorfner


Schafft Geld Investitionen – oder schaffen Investitionen Geld? Eine reine Wortspielerei, eine rhetorische Frage, geht man von der allgemein verbreiteten Ansicht aus, dass Geld vorhanden sein muss, um es investieren zu können. Geld ist ja da, einfach da.

Niemand stellt das in Frage.


Wenn man nun voraussetzt, dass Geld da ist, dann kann es investiert werden. Aber auch wenn es nicht investiert wird, ist es dennoch da. Und kann zu anderem verwendet werden. Diese allgemein verbreitete Vorstellung ist dann auch der gemeinsame Ausgangspunkt für alle möglichen Überlegungen und Vorschläge.


So etwa auch die von Andreas Exner, der in seinem Beitrag „Mythos Geld“ (SOL 126) schreibt:
Eine Frage liegt nun wohl einigen auf der Zunge: "Aber ist nicht der Zins das eigentliche Übel, Geld hingegen gut?" Lasst uns die Sache näher ansehen. Um zu verstehen, wie Geld, Gewinn und Zins zusammenhängen, ist eine formelhafte Darstellung hilfreich. Wir stellen dazu dar: die Ware (mit Preisen versehene Güter und Dienstleistungen), G für das Geld und "G + Gewinn" für den Zuwachs an Geld über die vorgeschossene Summe G hinaus. Der Geldzuwachs bildet den Unternehmergewinn. 
Der einfachste Fall des Produktionsprozesses in einer Geldwirtschaft sieht dann aus wie folgt: 

Vorschuß Unternehmer G ----W----G+Gewinn = Rückfluß an Unternehmer


Geld wird ausgegeben, um bestimmte Waren (Produktionsmittel und Arbeitskraft) zu kaufen. Der Verkauf der produzierten Ware ergibt einen Rückfluss an Geld. Wir haben zuvor schon gesehen, dass dieser Vorgang nur dann einen Sinn ergibt, wenn die Einnahmen die Ausgaben übersteigen, wenn also nicht nur G, sondern "G + Gewinn" herauskommt.

Aber diese formelhafte Darstellung ist noch unvollständig. In der Regel wird nämlich das Kapital - Geld also, das sich vermehrt - von Geldkapitalisten (Banken, Fondsverwalter) vorgeschossen. Mit dem geborgten Kapital lässt ein Unternehmer schließlich Waren produzieren. Die ergänzte Darstellung sieht aus wie folgt: 


Hinfluss:
 Sparerin  G ---Bank G---Unternehmer G---Ware
Rückfluss:
G+Sparzinsen---G+Sparzinsen+Bankgewinn---
G+Sparzinsen+Bankgewinn+Unternehmergewinn


Wer Geld zur Bank trägt, hat in der Regel nicht diesen Gesamtprozess der Warenproduktion vor Augen, wie er sich am Konto positiv zu Buche schlägt. Unser Blick ist vielmehr auf einen kleinen Ausschnitt beschränkt: Aus G wird "G + Sparzinsen" (der erste "Geldkreislauf" in der grafischen Darstellung). Es sieht deshalb so aus, als würde Geld Geld machen, quasi aus dem Nichts, so als würde Geld "arbeiten". Tatsächlich aber wird das Geld in Form von Kredit bloß vorgeschossen, um Arbeitskraft in der Warenproduktion vernutzen zu können. Die Arbeitskraft braucht nur einen Teil der Arbeitszeit, um ihre eigenen Kosten einzuspielen, schafft also mehr Wert als sie selbst hat. Sie produziert Mehrwert, einen Profit. Der Unternehmer erhält davon einen Teil, seinen Gewinn. Der andere Teil wird an die Geldkapitalisten als Zins (oder als Aktiendividende) bezahlt. Dies ist der Preis für jenes Geldkapital, mit dem er seinen Gewinn produzieren konnte.

Übrigens geben die Banken heute nicht bloß Geld, das die Sparerinnen bei ihnen anlegen, an die Unternehmen weiter, wie die vereinfachte grafische Darstellung suggeriert. Die Banken "schöpfen" vielmehr selber Geld (Buchgeld), indem sie Unternehmen, die sie als profitabel einschätzen, Kredite gewähren (in Gestalt von Sichteinlagen). Allerdings müssen die Kredite der Geschäftsbanken zu einem gewissen Teil durch Bareinlagen von Sparerinnen oder durch Verschuldung bei der staatlichen Zentralbank gedeckt sein.

Im Unterschied zu Unternehmenskrediten sind Konsumentinnenkredite - geldwirtschaftlich betrachtet - unproduktiv. Sie werden ja nicht als Kapital genutzt, sondern für den Konsum verausgabt. Die Schuldnerinnen haben davon keinen finanziellen Vorteil. Für den Unternehmer aber sind Kredite in der Regel nicht nur rentabel, sondern notwendig, um in der Konkurrenz zu bestehen. Er profitiert, gerade weil er Schuldner ist. Denn je größer das investierte Kapital, desto größer auch der potenzielle Gewinn. Deshalb gehört zur Geldwirtschaft mit Notwendigkeit der Zins. Ihre Übel sind, wie schon zuvor gezeigt, nicht durch den Zins bedingt. Der Zwang zum Wachstum folgt ebenso aus der "Geldnatur" wie die Konkurrenz. Zusammen bewirken diese beiden Dynamiken schließlich auch, dass die Reichtumsschere immer weiter aufgeht (wer Geld als Kapital anlegen kann, bekommt noch mehr davon usw.).

Soweit Andreas Exner, dem Dank und Anerkennung gebührt, dass er sich des Themas „Geld“ überhaupt angenommen hat. So selbstverständlich ist das ja nicht. Geld ist schlicht und einfach da, warum also noch da herumstochern und hinterfragen?

Seine Ausführungen zeigen aber einmal mehr den oben angedeuteten grundsätzlichen Mangel auf. In der beschriebenen Logik wird schon eingangs übersehen, dass die Existenz von Geld vorausgesetzt wird. So heißt es etwa: „Geld wird ausgegeben, um bestimmte Waren ... zu kaufen.“ Geld ist ein Bestand. Allerdings allein in den Händen der Kapitalisten. Woher ihn diese haben, woher Geld überhaupt kommt, wie es entsteht, wird nicht einmal hinterfragt, geschweige denn beantwortet. Und da es einfach da ist, steht es auch für alle möglichen Maßnahmen zur Verfügung. So ist ein Zugriff darauf gewissermaßen physisch jederzeit möglich. Es geht somit „nur“ mehr um politisch-rechtliche Fragen, etwa der Aneignung von Vorhandenem, dem Geld, die sich gut für Ideologien eignet. „Geld ist genug vorhanden“ heißt es immer wieder. Darauf bauen etwa auch alle Überlegungen im Zusammenhang mit der Idee eines Grundeinkommens auf, dessen Finanzierung „nur“ mehr ein rechtliches Problem hinsichtlich der Verteilung des Sozialproduktes gesehen werden.

Ähnlich wird aber auch die Frage der Investitionen gesehen. Geld muss da sein, um es dann investieren zu können. Und es ist – so die Meinung - in den Händen der Kapitalisten als Geldbestand auch da. Zugleich kann aber auch so viel investiert werden, wie an Bestand vorhanden ist.

Nun passt es noch in diese Logik eines Geldbestandes, wenn es heißt: „Der Verkauf der produzierten Ware ergibt einen Rückfluss an Geld.“ Nicht mehr aber passt dann die Aussage: „Wir haben zuvor schon gesehen, dass dieser Vorgang nur dann einen Sinn ergibt, wenn die Einnahmen die Ausgaben übersteigen, wenn also nicht nur G, sondern "G + Gewinn" herauskommt.“.

Denn: Es kann nur so viel zurückfließen (Pfeil unten) wie hingeflossen (Pfeil oben) ist, nicht aber mehr, wie in der Skizze unterstellt wird. Damit stellt sich nun die Frage: Wo kommt dann das Geld für Unternehmergewinn + Bankgewinn + Sparzinsen her? Eine Frage, die schon Karl Marx beschäftigt, aber nicht beantwortet hat:

„Die Frage ist nicht: Wo kommt der Mehrwert her? Sondern: Wo kommt das Geld her, um den Mehrwert zu versilbern? [...] Das in Form von Geldkapital vorgeschoßne zirkulierende Kapital von 500 Pfd. St. [...] sei das zirkulierende Gesamtkapital der Gesellschaft. Der Mehrwert sei 100 Pfd St. Wie kann nun die ganze Kapitalistenklasse beständig 600 Pfd. St. aus der Zirkulation herausziehn, wenn sie beständig nur 500 Pfd. St. hineinwirft?“ .....) (Karl Marx, Das Kapital II, S. 330/331)

Die Arbeitskraft produziert zwar einen Mehrwert in Form von Gütern und Leistungen, aber nicht das Geld, das für die „Versilberung“ des Mehrwertes erforderlich ist. So die Einsicht von Marx. Der Bestand an Geld wird durch die Arbeit nicht vermehrt.

Eine klare Antwort gibt dann auch nicht der Verweis darauf, dass Geld in Form von Kredit bloß vorgeschossen wird, um Arbeitskraft in der Warenproduktion vernutzen zu können. Über den Kredit – einen zusätzlichen Kredit – gibt es zwar mehr Geld, aber auch dieses muss ja wieder verzinst werden.

Auf eine Lösung weist hier aber das Wort „vorgeschossen“ hin. Das „vor“ sagt, dass Geld erst später, also morgen, wieder „zurückgeschossen“ wird oder werden muss. Es impliziert also die Zeit, die für die Produktion einer Ware bis zu deren Verkauf erforderlich ist. Zugleich aber besagt das Wort „vorgeschossen“, dass das Geld für eine Ausgabe schon heute vorgeschossen wird, nicht aber für eine erst morgen. Dann bedürfte es ja keines Vorschusses. So werden etwa mit Löhnen Güter gekauft, die heute schon fertig sind. Und ebenso werden für den Betrieb bereits Vorprodukte (als fertige Halbfertigprodukte) nachgefragt. Der Vorschuss heißt somit deshalb so, weil damit schon heute die Existenz des Haushaltes gesichert werden kann, obgleich das heute Produzierte erst morgen fertig wird.

Damit aber wird klar: Der Rückfluss des Geldes kann heute höher sein als heute der Hinfluss, wenn heute mit einem gestiegenem monetären Gesamteinkommen nach den Waren von gestern nachgefragt wird. Was aber auch heißt, dass heute mehr Geld ausgegeben werden muss als gestern. Das aber ist nur dann möglich, wenn wir nicht von einem geschlossen Geldbestand ausgehen, sondern von einem offenen System.

Davon geht auch Michal Kalecky - der eigentliche Theoretiker hinter Keynes - aus, wenn er bereits 1933 schreibt

Bruttoprofite = Bruttoinvestitionen + Konsum der Kapitalisten

Was sagt diese Gleichung aus? Bedeutet sie, daß die Profite in einem bestimmten Zeitabschnitt den Konsum und die Investitio­nen der Kapitalisten bestimmen? Oder trifft die umgekehrte Beziehung zu? Die Antwort darauf ist davon abhängig, welche dieser Größen direkt den Entscheidungen der 'Kapitalisten unter­liegen. Nun ist es offensichtlich, dass die Kapitalisten zwar ent­scheiden können, in einer bestimmten Periode mehr zu konsumie­ren und zu investieren als in einer anderen, nicht aber, mehr zu verdienen. Es bestimmen folglich die Investitions- und Konsumentscheidungen ihre Profite und nicht umgekehrt die Profite ihre Konsum- und Investitionsentscheidungen. (Michal Kalecky, Theorie der wirtschaftlichen Dynamik, S. 49ff, Europaverlag 1966)

Zusätzliche Investitionen und zusätzlicher der Konsum der Kapitalisten schaffen also zusätzliches Geld, nicht aber ist bereits vorhandenes Geld die Voraussetzung hierfür. Wobei zusätzlicher Konsum und zusätzliche Investitionen eine zusätzliche Verschuldung der Kapitalisten bzw. der Unternehmen bedeuten.
Durch Einfügung des Faktors „Zeit“ können wir jene Aussage erst eindeutig verstehen, wo es heißt:
Tatsächlich aber wird das Geld in Form von Kredit bloß vorgeschossen, um Arbeitskraft in der Warenproduktion vernutzen zu können.

Der zusätzliche Kredit muss also vorgeschossen werden, was nichts anderes heißt wie eine zusätzliche Verschuldung des Kreditnehmers. Vorgeschossen wird also Vertrauen – Kredit -, Vertrauen auf Erfüllung eines Vertrages in Zukunft. Diese Vertrauensgewährung ist das „Produkt“ der Bank, mit dem auf der anderen Seite der Schuldvertrag zwischen dem neuen und dem ursprünglichem Eigentümer durch einen Vertrag zwischen der Bank und dem ursprünglichen Eigentümer ersetzt wird. Diesen Schuldvertrag nennen wir „Geld“.

Geld ist also nichts anderes wie eine Forderungen, mit denen Ansprüche des ursprünglichen Eigentümers erfüllt werden, während die Schulden, die zwangsläufig beim Zugriff des neuen Eigentümers auf fremdes Eigentum entstehen, durch Schulden gegenüber der kreditgebenden Bank abgelöst werden.

Geld gibt es somit nur dann, wenn Kredite aufgenommen werden, sich also jemand verschuldet. Werden keine Kredite aufgenommen, entsteht auch kein Geld. Insofern kann der Wunsch nach Überwindung der Geldwirtschaft, wie sie Exner fordert, einfach erfüllt werden: Es braucht nur nichts mehr investiert werden:

Ich sehe deshalb drei Aufgabenbereiche, die wir stärker diskutieren und miteinander verbinden sollten. Erstens ginge es darum, einige der verbreiteten Tabus abzubauen, was die Forderungen nach Geld betrifft. Denn klar muss sein: Wenn die Geldwirtschaft kein gutes Leben möglich macht, dann ist die Geldwirtschaft zu überwinden, am Anspruch auf ein gutes Leben hingegen festzuhalten.

Das aber ist die Frage, ob der Anspruch auf ein gutes Leben ohne Geld erfüllt werden kann. Denn Geld, so wie ich es zu beschreiben versuche, ist ein logistisches Instrument, das diese hohe Arbeitsteilung einerseits, andererseits ein Zusammenspiel der einzelnen Teile erst möglich macht. Ich bezeichne deshalb diese Wirtschaft als Geldwirtschaft. Dabei ist Geld ein Kind dieser Geldwirtschaft – und nicht Geld einfach vorhanden, auf dem dann die Geldwirtschaft aufbaut. Und nicht einfach a priori vorhanden, wie es im Weiteren zum Ausdruck kommt:

Mit dieser Sicherheit im Rücken können wir tabulos, z.B. in Gestalt eines bedingungslosen Grundeinkommens, Geld einfordern - ohne Rücksicht auf Profit- und Wachstumsinteressen, aber auch ohne Sorge um den Fortbestand der Geldwirtschaft. Zumindest kurzfristig sind derartige Geldleistungen ohne Zweifel finanzierbar, entweder über Kapital- und Vermögenssteuern, oder - schlicht und ergreifend - mittels Schulden.

Daraus wird deutlich, dass Exner das Wesen der Geldwirtschaft – des Kapitalismus - nicht verstanden hat. Es gibt Geld nur in der Geldwirtschaft mit all ihren positiven und negativen Auswirkungen. Und den Staat, der Geld verteilen und alles über Geld regeln will, gibt es nur in dieser Geldwirtschaft. Folglich ist ein Grundeinkommen in Geld - wenn überhaupt - auch nur im Kapitalismus möglich. Es hängt am Tropf des Kapitalismus - und kann damit diesen - also die Geldwirtschaft - nicht überwinden.





Linz, Februar 2008

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