Freitag, 1. März 2013

Schafft Geld Investitionen - oder schaffen Investitionen Geld?



Eine Replik auf den Beitrag von Andreas Exner „Mythos Geld“


von Ernst Dorfner


Schafft Geld Investitionen – oder schaffen Investitionen Geld? Eine reine Wortspielerei, eine rhetorische Frage, geht man von der allgemein verbreiteten Ansicht aus, dass Geld vorhanden sein muss, um es investieren zu können. Geld ist ja da, einfach da.

Niemand stellt das in Frage.


Wenn man nun voraussetzt, dass Geld da ist, dann kann es investiert werden. Aber auch wenn es nicht investiert wird, ist es dennoch da. Und kann zu anderem verwendet werden. Diese allgemein verbreitete Vorstellung ist dann auch der gemeinsame Ausgangspunkt für alle möglichen Überlegungen und Vorschläge.


So etwa auch die von Andreas Exner, der in seinem Beitrag „Mythos Geld“ (SOL 126) schreibt:
Eine Frage liegt nun wohl einigen auf der Zunge: "Aber ist nicht der Zins das eigentliche Übel, Geld hingegen gut?" Lasst uns die Sache näher ansehen. Um zu verstehen, wie Geld, Gewinn und Zins zusammenhängen, ist eine formelhafte Darstellung hilfreich. Wir stellen dazu dar: die Ware (mit Preisen versehene Güter und Dienstleistungen), G für das Geld und "G + Gewinn" für den Zuwachs an Geld über die vorgeschossene Summe G hinaus. Der Geldzuwachs bildet den Unternehmergewinn. 
Der einfachste Fall des Produktionsprozesses in einer Geldwirtschaft sieht dann aus wie folgt: 

Vorschuß Unternehmer G ----W----G+Gewinn = Rückfluß an Unternehmer


Geld wird ausgegeben, um bestimmte Waren (Produktionsmittel und Arbeitskraft) zu kaufen. Der Verkauf der produzierten Ware ergibt einen Rückfluss an Geld. Wir haben zuvor schon gesehen, dass dieser Vorgang nur dann einen Sinn ergibt, wenn die Einnahmen die Ausgaben übersteigen, wenn also nicht nur G, sondern "G + Gewinn" herauskommt.

Aber diese formelhafte Darstellung ist noch unvollständig. In der Regel wird nämlich das Kapital - Geld also, das sich vermehrt - von Geldkapitalisten (Banken, Fondsverwalter) vorgeschossen. Mit dem geborgten Kapital lässt ein Unternehmer schließlich Waren produzieren. Die ergänzte Darstellung sieht aus wie folgt: 


Hinfluss:
 Sparerin  G ---Bank G---Unternehmer G---Ware
Rückfluss:
G+Sparzinsen---G+Sparzinsen+Bankgewinn---
G+Sparzinsen+Bankgewinn+Unternehmergewinn


Wer Geld zur Bank trägt, hat in der Regel nicht diesen Gesamtprozess der Warenproduktion vor Augen, wie er sich am Konto positiv zu Buche schlägt. Unser Blick ist vielmehr auf einen kleinen Ausschnitt beschränkt: Aus G wird "G + Sparzinsen" (der erste "Geldkreislauf" in der grafischen Darstellung). Es sieht deshalb so aus, als würde Geld Geld machen, quasi aus dem Nichts, so als würde Geld "arbeiten". Tatsächlich aber wird das Geld in Form von Kredit bloß vorgeschossen, um Arbeitskraft in der Warenproduktion vernutzen zu können. Die Arbeitskraft braucht nur einen Teil der Arbeitszeit, um ihre eigenen Kosten einzuspielen, schafft also mehr Wert als sie selbst hat. Sie produziert Mehrwert, einen Profit. Der Unternehmer erhält davon einen Teil, seinen Gewinn. Der andere Teil wird an die Geldkapitalisten als Zins (oder als Aktiendividende) bezahlt. Dies ist der Preis für jenes Geldkapital, mit dem er seinen Gewinn produzieren konnte.

Übrigens geben die Banken heute nicht bloß Geld, das die Sparerinnen bei ihnen anlegen, an die Unternehmen weiter, wie die vereinfachte grafische Darstellung suggeriert. Die Banken "schöpfen" vielmehr selber Geld (Buchgeld), indem sie Unternehmen, die sie als profitabel einschätzen, Kredite gewähren (in Gestalt von Sichteinlagen). Allerdings müssen die Kredite der Geschäftsbanken zu einem gewissen Teil durch Bareinlagen von Sparerinnen oder durch Verschuldung bei der staatlichen Zentralbank gedeckt sein.

Im Unterschied zu Unternehmenskrediten sind Konsumentinnenkredite - geldwirtschaftlich betrachtet - unproduktiv. Sie werden ja nicht als Kapital genutzt, sondern für den Konsum verausgabt. Die Schuldnerinnen haben davon keinen finanziellen Vorteil. Für den Unternehmer aber sind Kredite in der Regel nicht nur rentabel, sondern notwendig, um in der Konkurrenz zu bestehen. Er profitiert, gerade weil er Schuldner ist. Denn je größer das investierte Kapital, desto größer auch der potenzielle Gewinn. Deshalb gehört zur Geldwirtschaft mit Notwendigkeit der Zins. Ihre Übel sind, wie schon zuvor gezeigt, nicht durch den Zins bedingt. Der Zwang zum Wachstum folgt ebenso aus der "Geldnatur" wie die Konkurrenz. Zusammen bewirken diese beiden Dynamiken schließlich auch, dass die Reichtumsschere immer weiter aufgeht (wer Geld als Kapital anlegen kann, bekommt noch mehr davon usw.).

Soweit Andreas Exner, dem Dank und Anerkennung gebührt, dass er sich des Themas „Geld“ überhaupt angenommen hat. So selbstverständlich ist das ja nicht. Geld ist schlicht und einfach da, warum also noch da herumstochern und hinterfragen?

Seine Ausführungen zeigen aber einmal mehr den oben angedeuteten grundsätzlichen Mangel auf. In der beschriebenen Logik wird schon eingangs übersehen, dass die Existenz von Geld vorausgesetzt wird. So heißt es etwa: „Geld wird ausgegeben, um bestimmte Waren ... zu kaufen.“ Geld ist ein Bestand. Allerdings allein in den Händen der Kapitalisten. Woher ihn diese haben, woher Geld überhaupt kommt, wie es entsteht, wird nicht einmal hinterfragt, geschweige denn beantwortet. Und da es einfach da ist, steht es auch für alle möglichen Maßnahmen zur Verfügung. So ist ein Zugriff darauf gewissermaßen physisch jederzeit möglich. Es geht somit „nur“ mehr um politisch-rechtliche Fragen, etwa der Aneignung von Vorhandenem, dem Geld, die sich gut für Ideologien eignet. „Geld ist genug vorhanden“ heißt es immer wieder. Darauf bauen etwa auch alle Überlegungen im Zusammenhang mit der Idee eines Grundeinkommens auf, dessen Finanzierung „nur“ mehr ein rechtliches Problem hinsichtlich der Verteilung des Sozialproduktes gesehen werden.

Ähnlich wird aber auch die Frage der Investitionen gesehen. Geld muss da sein, um es dann investieren zu können. Und es ist – so die Meinung - in den Händen der Kapitalisten als Geldbestand auch da. Zugleich kann aber auch so viel investiert werden, wie an Bestand vorhanden ist.

Nun passt es noch in diese Logik eines Geldbestandes, wenn es heißt: „Der Verkauf der produzierten Ware ergibt einen Rückfluss an Geld.“ Nicht mehr aber passt dann die Aussage: „Wir haben zuvor schon gesehen, dass dieser Vorgang nur dann einen Sinn ergibt, wenn die Einnahmen die Ausgaben übersteigen, wenn also nicht nur G, sondern "G + Gewinn" herauskommt.“.

Denn: Es kann nur so viel zurückfließen (Pfeil unten) wie hingeflossen (Pfeil oben) ist, nicht aber mehr, wie in der Skizze unterstellt wird. Damit stellt sich nun die Frage: Wo kommt dann das Geld für Unternehmergewinn + Bankgewinn + Sparzinsen her? Eine Frage, die schon Karl Marx beschäftigt, aber nicht beantwortet hat:

„Die Frage ist nicht: Wo kommt der Mehrwert her? Sondern: Wo kommt das Geld her, um den Mehrwert zu versilbern? [...] Das in Form von Geldkapital vorgeschoßne zirkulierende Kapital von 500 Pfd. St. [...] sei das zirkulierende Gesamtkapital der Gesellschaft. Der Mehrwert sei 100 Pfd St. Wie kann nun die ganze Kapitalistenklasse beständig 600 Pfd. St. aus der Zirkulation herausziehn, wenn sie beständig nur 500 Pfd. St. hineinwirft?“ .....) (Karl Marx, Das Kapital II, S. 330/331)

Die Arbeitskraft produziert zwar einen Mehrwert in Form von Gütern und Leistungen, aber nicht das Geld, das für die „Versilberung“ des Mehrwertes erforderlich ist. So die Einsicht von Marx. Der Bestand an Geld wird durch die Arbeit nicht vermehrt.

Eine klare Antwort gibt dann auch nicht der Verweis darauf, dass Geld in Form von Kredit bloß vorgeschossen wird, um Arbeitskraft in der Warenproduktion vernutzen zu können. Über den Kredit – einen zusätzlichen Kredit – gibt es zwar mehr Geld, aber auch dieses muss ja wieder verzinst werden.

Auf eine Lösung weist hier aber das Wort „vorgeschossen“ hin. Das „vor“ sagt, dass Geld erst später, also morgen, wieder „zurückgeschossen“ wird oder werden muss. Es impliziert also die Zeit, die für die Produktion einer Ware bis zu deren Verkauf erforderlich ist. Zugleich aber besagt das Wort „vorgeschossen“, dass das Geld für eine Ausgabe schon heute vorgeschossen wird, nicht aber für eine erst morgen. Dann bedürfte es ja keines Vorschusses. So werden etwa mit Löhnen Güter gekauft, die heute schon fertig sind. Und ebenso werden für den Betrieb bereits Vorprodukte (als fertige Halbfertigprodukte) nachgefragt. Der Vorschuss heißt somit deshalb so, weil damit schon heute die Existenz des Haushaltes gesichert werden kann, obgleich das heute Produzierte erst morgen fertig wird.

Damit aber wird klar: Der Rückfluss des Geldes kann heute höher sein als heute der Hinfluss, wenn heute mit einem gestiegenem monetären Gesamteinkommen nach den Waren von gestern nachgefragt wird. Was aber auch heißt, dass heute mehr Geld ausgegeben werden muss als gestern. Das aber ist nur dann möglich, wenn wir nicht von einem geschlossen Geldbestand ausgehen, sondern von einem offenen System.

Davon geht auch Michal Kalecky - der eigentliche Theoretiker hinter Keynes - aus, wenn er bereits 1933 schreibt

Bruttoprofite = Bruttoinvestitionen + Konsum der Kapitalisten

Was sagt diese Gleichung aus? Bedeutet sie, daß die Profite in einem bestimmten Zeitabschnitt den Konsum und die Investitio­nen der Kapitalisten bestimmen? Oder trifft die umgekehrte Beziehung zu? Die Antwort darauf ist davon abhängig, welche dieser Größen direkt den Entscheidungen der 'Kapitalisten unter­liegen. Nun ist es offensichtlich, dass die Kapitalisten zwar ent­scheiden können, in einer bestimmten Periode mehr zu konsumie­ren und zu investieren als in einer anderen, nicht aber, mehr zu verdienen. Es bestimmen folglich die Investitions- und Konsumentscheidungen ihre Profite und nicht umgekehrt die Profite ihre Konsum- und Investitionsentscheidungen. (Michal Kalecky, Theorie der wirtschaftlichen Dynamik, S. 49ff, Europaverlag 1966)

Zusätzliche Investitionen und zusätzlicher der Konsum der Kapitalisten schaffen also zusätzliches Geld, nicht aber ist bereits vorhandenes Geld die Voraussetzung hierfür. Wobei zusätzlicher Konsum und zusätzliche Investitionen eine zusätzliche Verschuldung der Kapitalisten bzw. der Unternehmen bedeuten.
Durch Einfügung des Faktors „Zeit“ können wir jene Aussage erst eindeutig verstehen, wo es heißt:
Tatsächlich aber wird das Geld in Form von Kredit bloß vorgeschossen, um Arbeitskraft in der Warenproduktion vernutzen zu können.

Der zusätzliche Kredit muss also vorgeschossen werden, was nichts anderes heißt wie eine zusätzliche Verschuldung des Kreditnehmers. Vorgeschossen wird also Vertrauen – Kredit -, Vertrauen auf Erfüllung eines Vertrages in Zukunft. Diese Vertrauensgewährung ist das „Produkt“ der Bank, mit dem auf der anderen Seite der Schuldvertrag zwischen dem neuen und dem ursprünglichem Eigentümer durch einen Vertrag zwischen der Bank und dem ursprünglichen Eigentümer ersetzt wird. Diesen Schuldvertrag nennen wir „Geld“.

Geld ist also nichts anderes wie eine Forderungen, mit denen Ansprüche des ursprünglichen Eigentümers erfüllt werden, während die Schulden, die zwangsläufig beim Zugriff des neuen Eigentümers auf fremdes Eigentum entstehen, durch Schulden gegenüber der kreditgebenden Bank abgelöst werden.

Geld gibt es somit nur dann, wenn Kredite aufgenommen werden, sich also jemand verschuldet. Werden keine Kredite aufgenommen, entsteht auch kein Geld. Insofern kann der Wunsch nach Überwindung der Geldwirtschaft, wie sie Exner fordert, einfach erfüllt werden: Es braucht nur nichts mehr investiert werden:

Ich sehe deshalb drei Aufgabenbereiche, die wir stärker diskutieren und miteinander verbinden sollten. Erstens ginge es darum, einige der verbreiteten Tabus abzubauen, was die Forderungen nach Geld betrifft. Denn klar muss sein: Wenn die Geldwirtschaft kein gutes Leben möglich macht, dann ist die Geldwirtschaft zu überwinden, am Anspruch auf ein gutes Leben hingegen festzuhalten.

Das aber ist die Frage, ob der Anspruch auf ein gutes Leben ohne Geld erfüllt werden kann. Denn Geld, so wie ich es zu beschreiben versuche, ist ein logistisches Instrument, das diese hohe Arbeitsteilung einerseits, andererseits ein Zusammenspiel der einzelnen Teile erst möglich macht. Ich bezeichne deshalb diese Wirtschaft als Geldwirtschaft. Dabei ist Geld ein Kind dieser Geldwirtschaft – und nicht Geld einfach vorhanden, auf dem dann die Geldwirtschaft aufbaut. Und nicht einfach a priori vorhanden, wie es im Weiteren zum Ausdruck kommt:

Mit dieser Sicherheit im Rücken können wir tabulos, z.B. in Gestalt eines bedingungslosen Grundeinkommens, Geld einfordern - ohne Rücksicht auf Profit- und Wachstumsinteressen, aber auch ohne Sorge um den Fortbestand der Geldwirtschaft. Zumindest kurzfristig sind derartige Geldleistungen ohne Zweifel finanzierbar, entweder über Kapital- und Vermögenssteuern, oder - schlicht und ergreifend - mittels Schulden.

Daraus wird deutlich, dass Exner das Wesen der Geldwirtschaft – des Kapitalismus - nicht verstanden hat. Es gibt Geld nur in der Geldwirtschaft mit all ihren positiven und negativen Auswirkungen. Und den Staat, der Geld verteilen und alles über Geld regeln will, gibt es nur in dieser Geldwirtschaft. Folglich ist ein Grundeinkommen in Geld - wenn überhaupt - auch nur im Kapitalismus möglich. Es hängt am Tropf des Kapitalismus - und kann damit diesen - also die Geldwirtschaft - nicht überwinden.





Linz, Februar 2008

Donnerstag, 27. Januar 2011

Samstag, 19. April 2008

Eine Welt ohne Geld?

Ein Brief an „Die Presse“
von Ernst Dorfner
 
Lieber Herr Dr. Fleichhacker!
Der „Presse“ entnehme ich die Einladung zur Veranstaltung „Eine Welt ohne Geld“ am Joanneum in Graz am Donnertag dieser Woche. Es ist ein meist gemiedenes Thema, dem sich die Veranstalter hier angenommen haben. Über Geld und was Geld ist, spricht man nicht. Und so ist es durchaus bemerkenswert, wenn hier nun gesagt wird, dass Geld nicht nur Tauschmittel ist, sondern offensichtlich wesentlich mehr.
Was sind die Strukturen von Geld, auf Grund der es „sich längst zum wichtigsten Motor wirtschaftlicher Aktivität, Ausdruck materiellen Reichtums und Symbol ökonomischer Macht entwickelt“ hat? Sollte das mehr sein als nur ein Phänomen sein, das da auf die Menschheit – oder einen Teil davon - herabgefallen ist, sondern etwas von den Menschen zwar nicht so entworfenes aber doch von Menschen gemachtes sein, dann sollte es hierfür eine wissenschaftlichen Klärung geben. Die herkömmliche Lehre hat dazu jedoch keine Antwort, für sie ist Geld noch immer neutral, also ohne wesentlichen Einfluss auf die wirtschaftliche Dynamik. Sie geht davon aus, dass unsere Wirtschaft eine Tauschwirtschaft ist, und Geld ein Mittel zur Vereinfachung des Tauschvorganges, der sgn. „Doppelten Koinzidenz“. Tauschen ist ein Vorgang, der keine Zeit braucht. Es gibt nur einen Zeithorizont, in dem Waren gegen Waren oder auch gegen Geld getauscht werden. Das Geben und das Nehmen erfolgt in einem Zug.
Dass Geld mehr ist als ein Tauschmittel, hierfür finden wir eine Antwort bei Hans Ch. Binswanger in seinem neuen Buch „Die Wachstumsspirale“. Binswanger vertritt dort die Meinung, dass unsere Wirtschaft keine Tauschwirtschaft ist, sondern eine Wirtschaft, in der vorher produziert werden muss, ehe etwas überhaupt getauscht werden kann. Es geht also vielmehr um das Produzieren als um das Tauschen.
Binswanger versucht auch zu klären, was denn Geld ist und wie es entsteht. Es fällt ja nicht einfach vom Himmel. Er vertritt die durch die Bilanzen der Banken gestützte Einsicht, dass die Banken für die Vergabe von Krediten nicht (nur) auf die Einlagen der Sparer angewiesen sind, sondern Kredit und damit Geld – einfach durch Bilanzverlängerung - selbst schöpfen können. Damit aber wird es auch möglich, dass die Unternehmen zusätzliches Geld aufnehmen und damit mehr ausgeben als sei einnehmen. Eine Meinung, die schon Schumpeter vertreten hat: „Kredit ist wesentlich Kaufkraftschaffung zum Zweck ihrer Überlassung an den Unternehmer, nicht aber einfach Überlassun von vorhandener Kaukraft.“ (1926) . Und Albert Hahn meinte in den 1930-iger Jahren: „Das Aktivgeschäft kommt vor dem Passivgeschäft“.
Es wäre deshalb schön, wenn eine ähnliche Veranstaltung mit Prof. Binswanger, mit dem ich freundschaftlich verbunden bin, veranstaltet werden könnte.
Nun aber zur Frage: Eine Welt ohne Geld?
Kann überhaupt ohne Geld eine Produktion, die ja heute eine hoch arbeitsteilige ist, in einer Welt des privaten Eigentums erfolgen? Die Produktion ist ja – mit vernachlässigbaren Ausnahmen - nur möglich durch den Zugriff auf das Eigentum anderer, seien es Vormaterialien, Betriebsmittel und auch Lohnarbeit. Und über letztere auch der Zugriff auf die am Ende der Produktionshierachie hergestellten und in unzähligen Verkaufsstellen angebotenen Konsumgüter.
Mit diesem Zugriff auf Eigentum entstehen aber Schulden des Zugreifers gegenüber dem ursprünglichen Eigentümer, die dann irgendwann getilgt werden müssen.
Wie aber kann nun diese Tilgung geschehen? Denkbar sind zwei Wege, ein geldloser und einer über Geld.
1. In einer geldlosen Wirtschaft muss der Produzierende mit den Lieferanten und Lohnempfängern überein kommen, die Schulden durch Abtretung eines bestimmten Anteils an dem gemeinsam Produzierten zu tilgen. Es werden also Güter und Leistungen genommen und und zeitlich später andere zur Tilgung der Schulden auch wieder gegeben.
Dass dieser Weg nun nicht besonders weit, aber jedenfalls nicht zu unserer hochkomplexen und hochproduktiven Wirtschaftsstruktur führen kann, versteht sich sehr rasch. Die Gläubiger können ja nur sehr selten mit dem jeweils Produzierten als Konsumenten noch als Produzierende etwas anfangen.
Um das anschaulicher zu machen, vergleichen wir das mit einem Telefonnetz, das in diesem Fall nur Anschlüsse zu den nächsten Nachbarn kennt, die dann wieder an ihre Nachbarn weitervermitteln können. Auch hier ist eine Verbindung mit einer Anschlussstelle weitab in Netz möglich, der ganze Vorgang ist aber sehr langwierig, zeitaufwendig und fehleranfällig. Praktisch wird die Reichweite eines solchen Telefonnetzes nicht sehr groß sein.
Auf unsere Wirtschaftsstruktur bezogen, heißt das: Mit der Zugriffsmöglichkeit auf ein Konsumgut ist großteils ein weitab im Netz liegender Anschluss gesucht, der einen zeitaufwendigen Verbindungsaufbau braucht.
Damit also nicht alle sehr lange warten müssen, bis etwas individuell Brauchbares entsteht - in letzter Konsequenz ein Konsumgut – kann die Produktionshierarchie jedenfalls nicht so tief und vielschichtig sein, wie sie es in den Industrieländern heute ist. Zugleich wird sich der Inhalt der Produktion eher nach dem schon Bekanntem richten, und damit nach den in der Vergangenheit als Schuldentilgung vereinbarten Erzeugnissen.
Nun wird von manchen als Vorteil der Schuldentilgung über Waren gewertet, dass der Absatz vereinbarungsgemäß gesichert ist. Aber eben erst in Zukunft, wenn die Güter und Leistungen fertig sind. Auf sie beziehen sich dann aber auch die Schuldvereinbarungen. Dies schränkt damit aber auch die Dispositionsfreiheit ein. Das ganze System ist damit eher statisch, nicht von Dynamik und Innovationen, von technischem Fortschritt bestimmt. Es braucht die Fähigkeit, auf die Schuldentilgung warten zu können, braucht Geduld und Vorräte statt Dynamik.
Und es fragt sich auch, wie weit hier eine Akzeptanz für einen Einsatz von Ressourcen für Innovationen und technischen Fortschritt erzielt werden kann. Im Gegensatz zum anderen Weg, auf dem mit dem Geldeinkommen eine List wirksam wird, welche beim einzelnen Menschen keinen Brotneid aufkommen lässt. Dass somit ohne weiteres jeder einverstanden ist, dass am „Esstisch“ auch solches „Gevolk“ Platz nimmt, das nicht gleich Produkte hervorbringt, sondern „nur“ forscht und erfindet, ist ja nicht selbstverständlich.
2. Das Unternehmen finanziert – so wie es ja heute der Fall ist - die Produktion und damit alle Zukäufe und Lohnzahlungen sowie Steuern und Abgaben mit Geld vor.
Diese Art der Produktion unterscheidet sich in ihren Strukturen von der oberen entscheidend. Im Vergleich ist sie mit einem Telefonnetz zu vergleichen, dass über Anschlüsse an einen Hauptknoten verfügt, die wieder untereinander verbunden sind. Gleichermaßen macht die Vorfinanzierung mit Geld es möglich, dass die Schulden bei den Vorlieferanten und Lohnabhängigen sofort mit Geld getilgt werden können, auch wenn sie in der Hierarchie fernab von der jeweiligen Produktion liegen. Die Produzenten werden allerdings von ihren Schulden nicht befreit. Sie haben sie „nur“ gegen Schulden gegenüber den Kredit gebenden Banken ausgetauscht. Etwas, was in den Bilanzen deutlich zum Ausdruck kommt.
Damit können sich nun zu aller erst die Konsumenten – aber auch die weiterverarbeitenden Unternehmen auf die schon fertigen Produkte – für die Konsumenten die Konsumprodukte - zurückgreifen.
Der wirtschaftliche Prozess bewegt sich auf zwei zeitlich verschieden hohen Zeithorizonten –und nicht auf einer gleichen Ebene. Diese deshalb zu überwindende Treppe erfordert deshalb auch „stufengängige“ Instrumente, die mit dem gegeben sind, was wir „Kredit und Geld“ nennen. Die Banken stellen den Zusammenschluss beider Horizonte her.
Diese weitaus größere Beweglichkeit bedeutet nun für manche auch die Kehrseite zu obigen System. Mit Geld erfolgt nicht nur eine zeitliche Trennung zwischen Nehmen und Geben, was Schulden bedingt. Es geht auch um die dadurch gewonnene Wahlfreiheit des Zugriffs auf bereits Fertiges vermittels des Geldes, und nicht um den Tausch untereinander von zur gleichen Zeit Produziertem. Ein Gleichgewicht kann es in der Ungleichzeitigkeit grundsätzlich nicht geben. Das Gleichgewicht, das etwa Walker irrigerweise beschreibt:
“Die gesamte Produktionsleistung, welche die Wirtschaft eines Volkes geschaffen hat, repräsentiert rechnerisch genau das Volkseinkommen aller Einzelglieder dieses Volkes für den in Betracht gezogen Zeitraum. Dementsprechend müsste dieses Volkseinkommen völlig hinreichend sein, die betreffende Produktionsleistung vom Markt zu nehmen, wobei, wie gesagt, das Einkommen des einen stets vollständig als Nachfrage des anderen aufzutreten hätte.” (K. Walker, Aktive Konjunkturpolitik, 1935, S:11).
Damit ist auch der Absatz in jeder Periode nicht schon von vorneherein festgelegt und gesichert. Mit der Verwendung von Geld steigt somit auch das unternehmerische Risiko.
Dieses ganze System ist jedoch viel beweglicher und „unternehmerischer“. Die Bedingungen für Innovationen sind hier weitaus günstiger. Da nämlich die Unternehmen zusätzliche Kredite für Netto-Investitionen aufnehmen können, können sie auch zusätzliche Arbeitsplätze und zusätzliche Arbeitseinkommen schaffen.
Da die bereits fertigen und vorhandenen Konsumgüter nun aber durch eine insgesamt höhere monetäre Einkommensmenge nachgefragt,werden, sinkt der Reallohn des einzelnen Beschäftigten. Trotzdem wird dieser Vorgang nicht nur akzeptiert, sondern von Arbeitnehmerseite selbst gefordert, ist doch damit der Schritt zur Vollbeschäftigung verbunden.
Die höhere Nachfrage fördert nun aber auch das Erzielen von Netto-Gewinnen über die ganze Volkswirtschaft (positiver makroökonomischer Gewinnsaldo). Dieser Weg wird deshalb ebenso von der Wirtschaft angenommen, so lange die zukünftige Amortisation der Investitionen gesichert erscheint.
Das Ganze ist ein hochkomplexes System, das durch Kredit und Geld seine Logistik erhält. Eine Wirtschaft ohne Geld würde somit mit großer Wahrscheinlichkeit unser ganzes Zivilisations-System zum Einsturz bringen. Wobei das Geldsystem die oben angedeutete „Stufengängigkeit“ haben muss.
Mit freundlichem Gruß
Ernst Dorfner

Grundsätzliches zur Finanzierung eines Grundeinkommens

Ausgangspunkt dieser Überlegungen sind die Papiere von Götz Werner, „Ein Grund für die Zukunft: Das Grundeinkommen“ und von Thomas Staubhaar, „Wir haben keine andere Wahl“, und das Interview mit Günter Sölken in „Stuttgarter Zeitung“ vom 8.10.2005
  1. Das Grundeinkommen ist als Komplementär-Einkommen gedacht.
Sowohl Götz Werner als auch Thomas Staubhaar, so wie viele andere, hinterlassen in ihren philosophischen Beschreibungen des Grundeinkommens den Eindruck, dass dieses ein Komplementär-Einkommen zum Einkommen aus Arbeit wäre, da ja das in Überfülle vorhandene reale (güterwirtschaftliche) Volkseinkommen nur mehr zu Teilen mit dem Einsatz von menschlicher Arbeit zustande kommt. [i]
Dieser Ansatz des Komplementär-Einkommens wird jedoch stets dann verwischt, wenn es um die Finanzierung des Grundeinkommens geht. Hier ist dann nur mehr die Rede von einer Umverteilung des vorhandenen Volkseinkommens. Wobei offen bleibt, ob es dabei um die Umverteilung des monetären oder des realen Volkseinkommens geht. Letzteres schließt sich aber dann aus, wenn wir anderweitig die ständigen Klagen über eine zu geringe Binnennach-frage vernehmen. Das reale Volkseinkommen bleibt offensichtlich unkonsumiert liegen, braucht also nicht umverteilt werden. Mit einer Umverteilung wird offensichtlich das monetäre Einkommen angesprochen.
2. Relation eines Grundeinkommens bei Umverteilung am Beispiel Deutschland
Grundeinkommen 10.000 Euro jährlich oder 833 Euro monatlich
bei 82 Millionen Menschen Gesamtaufwand von 820 Mrd. Euro jährlich;
Grundeinkommen 500 Euro pro Monat, Gesamtaufwand 492 Mrd. Euro jährlich,
Grundeinkommen 1200 Euro pro Monat, Gesamtaufwand 1181 Mrd. Euro jährlich.
Entsprechend dem Existenzminimum 7.600 Euro p.a.
oder 633 Euro monatlich 623 Mrd. Euro jährlich
Im Vergleich dazu für 2004 , in Euro
Sozialausgaben 720 Mrd.
Bruttonationaleinkommen 2216 Mrd.
- Abschreibungen 326 Mrd.
Nettonationaleinkommen 1889 Mrd.
Volkseinkommen 1658 Mrd.
Unternehmens- u. Vermögenseink. 524 Mrd.
Arbeitnehmerentgelt 1134 Mrd.
Netto-Löhne u. Gehälter 600 Mrd.
Wir sehen: Ein Grundeinkommen von 1200 Euro monatlich entspricht dem gesamten Brutto-Arbeitnehmer einkommen, 500 Euro monatlich macht bereits 82% der Gesamtsumme der Netto-Löhne und Gehälter aus, eines von 833 Euro monatlich 72% der Brutto-Arbeitnehmerentgelte oder 50% des Volkseinkommens.
Vorerst scheint die Maßnahme in einem Ausmaß von 600 Euro (entsprechend dem Existenzminimum) noch denkbar, denn eine Umverteilung erfolgt ja bereits in dieser Größenordnung. Doch wirkt die Umverteilung in verschiedenen Richtungen. Sie mag vielleicht die Einkommen der Menschen im arbeitsfähigen Alter unter der Annahme erhöhen, dass zusätzlich zum Netto-Arbeitseinkommen (Anteil pro Person an den 600 Mrd. Euro Netto-Löhne) noch ein Grundeinkommen kommt, mindert aber dann die Einkommen der Rentner und Pensionisten, die ja dann allen nur mehr eine Rente etwa in Höhe des Existenzminimums erhalten. Keiner von ihnen kann sich aber damit ein Seniorenheim oder sonstigen Sonderausgaben im Alter mehr leisten. Hier entsteht also ein neues Problem.
Wird nun aber bei einem höheren Grundeinkommen die Netto-Lohnsumme von 600 Mrd. nochmals durch höhere Steuern oder Abgaben um die Hälfte verkürzt – um dann 900 Mrd. Verteilen zu können -, stellt sich für viele schon die Frage, warum sie bei gegenüber heute noch niedrigeren Netto-Löhnen überhaupt noch einer Arbeit nachgehen sollen.
Vor allem muss aber der Vorstellung entgegengetreten werden, dass durch ein Grundeinkommen die von den Unternehmen gezahlten (Brutto)-Löhne reduziert werden könnten, da ja die Menschen als Ausgleich auch ein Grundeinkommen beziehen. Werden nämlich die Brutto-Arbeitnehmerentgelte reduziert, dann reduziert man damit auch die Steuerbasis, also jene 1134 Mrd. Euro, die mit der Lohnsteuer belastet werden, womit die Steuererträge reduziert werden.
Was aber, wenn es um die 1200 Euro monatlich geht? Dann bleibt ja vom Brutto-Arbeitnehmerentgelt nichts mehr übrig, müsste dies also zu 100% weggesteuert werden
Nach dem Vorschlag von Werner, als einzige Steuer eine Konsumsteuer (Mehrwersteuer) einzuführen, müssten bei einem Grundeinkommen von monatlich 833 Euro (insgesamt jährlich 820 Mrd.) etwa die Hälfte des Volkseinkommens (50% von 1658 Mrd.) an MWSt. abgeführt werden, was einen MWSt-Satz (von unten hinaufgerechnet) von 100% bedeutet. Geht man diesbezüglich vom Brutto-Arbeitnehmer-Engelt (1134 Mrd.) aus, so heißt das, dass 72% davon als MWSt. abzuführen ist . Der Steuersatz beträgt dann 261% [ (1134 – 820)/1134] -1 = 2,61]
Sölken redet von einer Wertschöpfungsabgabe (WSA). Nimmt man als Basis hierfür die Differenz zwischen Bruttonationaleinkommen und Volkseinkommen, d.s. 558 Mrd. Euro, dann müsste der Steuersatz darauf je nach Höhe des Grundeinkommens zwischen 90 % und 211% liegen, wenn alle Belastungen auf den Faktor Arbeit wegfallen.
Darüber hinaus: Ob nun WSA, MWSt. oder ein Mix aus MWSt. und Einkommenssteuer (bei Staubhaar als Flat-Tax von 25%), all das verlangt, dass jene monetären Einkommensflüsse zuerst einmal vorhanden sind, um überhaupt etwas besteuern oder Steuern zahlen zu können.
In der neoklassischen Schulökonomie ist das selbstverständlich. Denn das monetäre Volkseinkommen ist dort ja nur eine ziffernmäßige Abbildung des realen Volkseinkommens. Tatsächlich stellt aber der monetäre Ausdruck des realen Volkseinkommens nichts anderes dar, als die Summe der in Produktion, Transport und Handel angefallenen Kosten, die alle von den Unternehmen vorzufinanzieren sind. Diese Kosten zu reduzieren, ist nun aber das ständige Ziel des Wettbewerbs der Unternehmen untereinander. Sie beschreiben daher nicht den wirklichen oder gesellschaftlichen Wert des realen Sozialproduktes.
  1. Das vorhandene monetäre Volkseinkommen ist im wesentlichen abhängig von der Verschuldungsbereitschaft der Unternehmen. Es sinkt oder stagniert mit der Freisetzung von Arbeitskräften wie auch mit dem Rückgang an Investitionen. Und widerspricht somit den Grundsätzen eines Komplementär-Einkommens.
Die Kosten der Unternehmen sind Schulden der Unternehmen, zugleich aber auf der anderen Seite die Geld-Einkommen der Haushalte. Die Einkommen der Haushalte wie auch anderer Unternehmen hängen damit aber von der Verschuldungsbereitschaft der Unternehmen ab, die wiederum davon abhängt, inwieweit jedes einzelne von ihnen sicher ist, die Schulden in Form von Krediten samt Zinsen wieder zurückzahlen zu können. Oswald von Nell-Breuning liegt somit falsch, wenn er meint, alles was produzierbar ist, ist auch finanzierbar. Richtig müsste es heißen: Alles was (mit Gewinn) verkaufbar ist, ist finanzierbar.
Der Wettbewerb der Unternehmen untereinander besteht darin, im eigenen Unternehmen die Verschuldung so weit wie möglich zu minimieren, in der Hoffnung, dass andere dies nicht im selben Ausmaß tun oder tun können, und somit die Durchschnitts-Stückkosten höher sind als die eigenen Stückkosten. Dann ist jene effektive monetäre Nachfrage vorhanden, die Preise des rationalisierten Unternehmens über den eigenen Stückkosten ermöglicht. Verbunden ist diese Rationalisierung insbesondere mit der Freisetzung von Arbeitskräften.
Da nun aber alle Unternehmen im Laufe der Zeit dem so folgen (müssen), sinkt oder stagniert die Verschuldungsbereitschaft generell mit der Zunahme des allgemeinen Wohlstandes und der damit einher gehenden Marktsättigung, und sinkt oder stagniert damit auch das monetäre Volkseinkommen, weil dadurch auch die Bereitschaft, zusätzliche Investitionen in Produktionserweiterungen zu tätigen, sinkt..
Jedenfalls ist aus diesem Titel ein Grundeinkommen im Sinne Komplementär-Einkommens nicht finanzierbar. Hier ist die Ursache der Probleme, und nicht die Lösung, zu finden.
Damit aber kommen wir zum Kern des Vorschlages, der davon ausgeht, dass ein immer höheres reales Sozialprodukt mit immer weniger Einsatz von menschlicher Arbeit hergestellt wird. Daraus geht nun jenes Heilsversprechen hervor, demnach jeder Mensch, ohne auch nur einen Griff Arbeit leisten zu müssen, Anspruch auf ein Grundeinkommen habe. Wenn ihm dann das nicht genügt, könne er ja noch etwas dazuverdienen.
Abgesehen davon, dass ohne menschliche Arbeit auch noch heute kein Produkt zustande kommt, wird deutlich, dass erst dann Geldeinkommen umverteilt werden kann, wenn vorher solches nicht zuletzt als Arbeitsentgelt entsteht. Es ist eben nicht so, wie die neoklassische Schulwissenschaft lehrt, dass mit dem realen Einkommen immer auch das monetäre automatisch vorhanden ist.
Daraus geht aber diese so gern aufgenommene Fehlinformation hervor, die da verbreitet wird. Sie verspricht der und dem Einzelnen – um es nochmals zu sagen - ein Grundeinkommen, ehe ein Griff Arbeit getan wird. Bezahlt werden kann dieses (monetäre) Grundeinkommen unter den gegebenen Bedingungen nur dann, wenn vorher Arbeit geleistet und auch entlohnt wird, also monetäres Einkommen in Form von Arbeitskosten überhaupt erst entsteht.
4. Dem gesellschaftlichen Wert des realen Sozialproduktes kommt man dann nahe, wenn es zusätzlich zum Arbeitseinkommen noch ein Komplementär-Einkommen gibt.
Es wird hier nochmals auf den Ausgangspunkt der Überlegungen zu einem Grundeinkommen hingewiesen, nämlich die Produktion von immer mehr Gütern bei insgesamt sinkendem Arbeitseinsatz und damit Arbeitskosten, in die sich letztlich alle anderen Kosten auflösen. Es wird also Mehrwert produziert, dem kein Mehreinkommen gegenübersteht. Dieser Mehrwert soll als Grundeinkommen der ganzen Gemeinschaft zufällen, wobei die konkrete Zuteilung über ein staatlich zugeteiltes Komplementär-Einkommen erfolgt.
5. Das für ein Grundeinkommen erforderliche Komplementär-Einkommen kann nur mit einem eigenständigen Zahlungsmittel des Staates bereitgestellt werden, mit dem auf das reale Netto-Sozialprodukt (reales Volkseinkommen) zugegriffen werden kann.
Mit Zugriff auf das reale Volkseinkommen, also jenes in Gütern, verbindet sich eine andere Form der Besteuerung, die im Gegensatz zu der derzeit angewandten Form steht, in der auf das monetäre Volkseinkommen, also auf Geld, zugegriffen wird. Während aber letzteres, wie oben dargelegt sinken oder stagnieren muss, steigt das reale Volkseinkommen auch bei sinkendem Einsatz menschlicher Arbeitskraft weiter. Hier greift ja auch der philosophisch richtige Ansatz des Grundeinkommens.
Ein Grundeinkommen verbindet sich damit mit einer anderen Form der Besteuerung im Sinne eines, dem Staat allein zustehenden Rechtes auf einen Zwangszugriff auf das Eigentum seiner Mitglieder. An Stelle von Geld eignet sich also Staat Waren und Leistungen von allen seinen Mitgliedern an und verteilt diese über ein Grundeinkommen wieder an alle Mitglieder. So wie diese Verteilung über ein eigenes Zahlungsmittel erfolgt, erfolgt auch die Verteilung der Steuerlast auf alle je nach ihrer Leistungsfähigkeit über dieses eigene Zahlungsmittel, wobei dessen Besitzer damit befähigt wird, seine vom Staat vorgeschriebenen monetären Steuerverbindlichkeiten zu erfüllen.
In diesem Sinn muss mit diesem Zahlungsmittel also eine Entlastung der Unternehmen von einem Teil ihrer Schulden möglich sein, und zwar jenem Teil, der vom Staat über die Steuern auferlegt wird. An Stelle von Geld stellt der/die einzelne Steuerpflichtige Arbeit und/oder Produkte dem Staat zu Verfügung, wofür er/sie übertragbare Steuer-Gutschriften erhält, mit denen er/sie seine/ihre Steuern und Abgaben begleichen kann.
Es muss also eine Forderung gegenüber dem Staat sein, die der Steuerpflichige dadurch erwirbt, dass er sie im Gegenzug durch Hingabe von Teilen seines Eigentum an den Staat erhält. Diese Verbindlichkeit des Staates besteht in der Akzeptanz als Steuerzahlungsmittel.
Dass damit dieses Steuer-Zahlungsmittel ein allgemeines Zahlungsmittel wird, haben wir susführlich im Taxos-Vorschlag beschreiben. Siehe dazu www.taxos.info.
Ernst Dorfner,
Linz, 31.10.05
taxos.ernstdorfner@tele2.at




[i] Staubhaar meint in seinem Interview:
... . Dabei ist es doch wunderbar, wenn ich ein Ziel mit einem Zehntel der Arbeitskräfte erreiche, mit einem Zehntel der Energie und natürlich auch mit einem entsprechend geringeren Anteil an Leiden und Mühen, die harte Arbeit verursacht. ... Es gibt kaum noch Bauern – aber die Automation der Landwirtschaft hat dafür gesorgt, dass sie zehnmal so viele Nahrungsmittel produzieren wie zu Beginn der industriellen Revolution. Und jetzt zur Industrie: Vor 50 Jahren haben wir hier alles produziert, die Chinesen nichts. Heute ist das anders, aber wie auch bei der Landwirtschaft ist das nur ein Drama in unserem Kopf. Denn wir verdienen gut daran, dass die Chinesen produzieren und damit ihr eigenes Geld erwirtschaften, auch um deutsche Produkte zu kaufen. Diese Entwicklung aber können sich viele nur als negativ vorstellen. Und wir müssen auch bei der Grundlage dessen umdenken, was unseren Wohlstand sichert – beim Mehrwert. Früher haben Arbeit und Kapital den Mehrwert erwirtschaftet. Heute sind es Maschinen, die durch Automation dafür sorgen, dass es vorangeht. Eigentlich prima. Aber unsere offenbar einzige Sorge ist: Wie können die Menschen wieder sinnvoll am Produktionsprozess teilnehmen?